NHL-Eishockeymagazin
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nr.77 / jul.-aug. 2004 

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TEAMREPORT
 
Noch ohne den ganz großen Durchbruch
Vancouver Canucks

von Robin Patzwaldt

Das erste Team der Canucks in 1970/71.

Als die Vancouver Canucks am 9. Oktober 1970 ihr erstes NHL-Spiel bestritten, und es mit 1-3 gegen die Los Angeles Kings verloren, konnte die Region bereits auf über 50 Jahre Spitzeneishockey zurückblicken. Unter anderem konnte ein Team namens 'Vancouver Millionaires' in 1915 sogar schon einmal den Stanley Cup gewinnen.
Dass es dann dennoch bis 1970 dauerte, ehe eine Mannschaft aus British Columbia endgültig in der NHL etabliert werden konnte, scheint erstaunlich. Zumal die Hockeybegeisterung in der Region schon traditionell sehr groß war und ist.

Bereits im Jahre 1965 erfolgte ein ernsthafter Versuch eine Expansionfranchise nach Vancouver zu bekommen, zu jenem Zeitpunkt als die NHL ihre Ligastärke von ursprünglich sechs Teams auf Zwölf verdoppeln wollte. Damals scheiterte man allerdings noch mit diesem Antrag. Unter Anderem gab es interne Querelen, so dass die Präsentation der Bewerbung eher kläglich ausfiel und folgerichtig auch abgewiesen wurde.

Im Jahre 1968 wollte dann eine Investorengruppe in Vancouver einen neuen Anlauf starten, um diesmal für ihre Stadt einen der für die Saison 1970-71 ausgeschriebenen zwei neuen Starterplätze zu sichern.
Man erwarb die bereits bestehende Western-Hockey-League-Franchise "Vancouver Canucks" und bewarb sich um einen der beiden begehrten Plätze. Dieser Versuch sollte von Erfolg gekrönt sein. Gegen eine Gebühr von jeweils 6 Mio. US$ wurden die Vancouver Canucks und die Buffalo Sabres zur Saison 1970/71 in die NHL aufgenommen. Witzigerweise wurden beide Teams, um das sportliche Gleichgewicht in der Liga nicht nachhaltig zu gefährden, zunächst in die 'East Division', also in die Ost-Gruppe platziert, und das obwohl Vancouver doch im äußersten Westen des Kontinents direkt am Pazifik liegt.

Woher der Name 'Canucks' eigentlich stammt ist bis heute umstritten. Er bedeutet umgangssprachlich etwa soviel wie 'Kanadier'. Die Herleitung des Teamnamens kommt von 'Johnny Canuck' einer in Kanada sehr populären Figur, die in den 50er-Jahren des vorigen Jahrhunderts als Comic-Held eine Renaissance erlebte.

Der erste Manager der Canucks in der NHL war damals Norman "Bud" Poile, der bereits Erfahrungen als General Manager der Philadelphia Flyers besaß. Poile ersetzte damit den früheren GM der Canucks aus erfolgreichen Minor League Tagen, Joe Crozier, was zu einigem Unmut in Vancouver und Umgebung führte.
Poile entschied sich für den früheren Coach der Los Angeles Kings, Hal Laycoe, als Chefcoach in der Premierensaison der Canucks.
Im Expansiondraft des Jahres wählte man u.a. Gary Doak, einen vielversprechenden jungen Verteidiger aus Boston und Orland Kurtenbach, der als Offensivführer des jungen Teams angedacht war.
Wayne Maki überraschte alle Verantwortlichen in der ersten Spielzeit der NHL-Franchise mehr als positiv durch eine Karrierebestleistung von 25 Toren und 63 Punkten.

Erste Heimstätte des jungen Teams wurde das im Januar 1968 eröffnete 'Pacific Coliseum', welches dem WHL-Team also bereits zuvor über zwei Jahre lang sehr erfolgreich als Arena gedient hatte.
Der erste Anlauf der 'Nucks' in der NHL endete erwartungsgemäß außerhalb der Playoffplätze. Die erzielten 56 Punkte aus 78 Spielen erfüllten jedoch die Zielvorgaben der Macher.
Zwar rangierte man damit sieben Punkte hinter Buffalo, konnte jedoch auch einen Punkt mehr als Detroit im Osten erreichen! Und Detroit war immerhin ein 'Original-Six-Team'. Für eine Expansionfranchise also wahrlich keine allzu schlechte Bilanz.

Die folgenden Jahre waren aus sportlicher Sicht eher enttäuschend. Die verbuchten 48, 53 und 59 Punkte befriedigten die Erwartungen der zahlreichen Fans nicht mehr. Erst 1975 gelang es mit 86 Saisonpunkten den Titel in der neuen Smyth Division zu gewinnen. Im Viertelfinale unterlag man dann gegen die schier übermächtigen Montreal Canadiens glatt in fünf Spielen. Der Verkauf der Franchise an die Familie Griffith, der ein erfolgreicher Medienkonzern gehörte, bestimmte in diesem Jahr ferner die Schlagzeilen in Vancouver und Umgebung.
Neue Stabilität und die gewünschte Ruhe brachte der Eigentümerwechsel allerdings wieder in den Club zurück.

Bis zum Jahre 1982 führte dieser neue Optimismus das Team sogar bis ins Stanley-Cup-Finale. Coach Harry Neale war für die Finalserie allerdings suspendiert. Dieser hatte sich in Chicago während eines Playoffspiels mit gegnerischen Fans angelegt und wurde folglich für zehn Partien gesperrt. Assistent Roger Neilson vertrat seinen Chef hinter der Bande. Obwohl das Finale gegen die New York Islanders glatt mit 0-4 verloren ging, feierten am Tag nach der vierten Niederlage über 100.000 Fans in Vancouver ihre Helden mit einer begeisternden Parade durch die Stadt.

Richard Brodeur

Thomas Gradin, Stan Smyl und Ivan Boldirev waren in dieser erfolgreichen Spielzeit die Stützen des Teams. In den Playoffs machte besonders Torhüter Richard Brodeur auf sich aufmerksam.
Leider hielt der Erfolg des Jahres 1982 nicht an. In den Folgejahren strauchelte man überwiegend. Entweder man konnte erst gar nicht in die Playoffs kommen, oder man scheiterte allzu früh.

Ein entscheidender Wendepunkt in der Franchisegeschichte erfolgte am 9. Januar 1987 als Pat Quinn neuer General Manager in Vancouver wurde. Dies führte zunächst noch zu einigem Ärger, da Quinn noch einen gültigen Vertrag mit den Los Angeles Kings besaß. Gegen Zahlung einer Abfindung ließ sich das Problem am Ende aber letztendlich doch noch gütlich lösen.
Im Entry-Draft des Sommers sicherte man sich die Dienste von Trevor Linden, welcher in den Folgejahren zu einer echten Führungspersönlichkeit im Club heranreifen sollte. Als jüngster Spieler der gesamten Liga erzielte Linden mit seinen 30 Treffern auf Anhieb einen Rekord für Rookies. Linden sicherte sich auch den zweiten Platz beim Kampf um die Calder Trophy des Jahres knapp hinter New Yorks Brian Leetch. Zwar unterlag man diesmal in den Playoffs den Calgary Flames in der ersten Runde, war am Ende der Saison aber die einzige Mannschaft, der es gelang die Flames über volle sieben Spiele zu fordern.

Am 1. Juli 1989 verpflichtete das Team den früheren Sowjetstar Igor Larionov, kurz nachdem man auch Pavel Bure in der vierten Runde des Entry Drafts 1989 gewählt hatte. Bures Verpflichtung war zunächst nicht unumstritten, doch spätestens in der Saison 1991-92 in der Bure als Rookie Lindens alten Rekord mit seinen 34 Toren brach, war 'The Russian Rocket' wie das russische Sturmtalent inzwischen bewundernd genannt wurde, ein Star in seinem Team. Als erstem Canuck gelang es Bure somit auch mit dem Gewinn der Calder Trophy eine der begehrten Auszeichnungen nach British Columbia zu holen.
Pat Quinn, der seit Januar 1991 zusätzlich auch für das Traineramt verantwortlich zeichnete, wurde mit der Jack Adams Trophäe, für den besten Coach des Jahres, ausgezeichnet. Seit 1974-75 gelang es erstmalig wieder den ersten Platz in der Smyth Division zu sichern.

Der Erfolg des Kaders sollte auch über die Saison 1992-93 hinaus anhalten. Man wurde erneut Titelträger in der Division und Bure konnte seine Torausbeute sogar auf 60 Tore und damit auf 110 Punkte steigern.
Team-Eigentümer Frank Griffith verstarb tragischerweise, kurz nachdem er in die Hockey Hall of Fame in Toronto aufgenommen wurde, an einer langwierigen Krankheit.

In 1994 erreichte Bure abermals die 60 Tore-Marke. In umkämpften Playoffspielen gegen Calgary und Dallas gelang es dem Team zum zweiten Mal in der Franchisegeschichte in das Stanley Cup Finale einzuziehen.
Die New York Rangers sollten sich allerdings hier letztendlich durchsetzen können. In einer sehr engen Serie, die über die kompletten sieben Spiele andauerte, unterlagen die Canucks im entscheidenden siebten und letzten Spiel im Madison Square Garden in Manhattan gegen Mark Messier & Co. knapp mit 2-3 Toren.
Pavel Bure war es abermals, der die Scorerwetung auch in den Playoffs anführte. Trotz seiner 16 Tore sollte es für die Canucks aber eben nicht zum ganz großen Wurf reichen.

Weitere Infos zum Team

Im März 1995 erwarb mit John E. McCaw, ein Geschäftsmann aus Seattle die Mehrheit an der Franchise und auch an der neuen Halle der Canucks, dem 163 Mio.$ teuren General Motors Place, den sich die Canucks mit dem damaligen NBA-Team der Stadt, den Vancouver Grizzlies, teilen sollten.
Mit der Verpflichtung von Alexander Mogilny aus Buffalo, sorgten die Nucks für die Wiedervereinigung des einst erfolgreichen Jugendhockeytandems Mogilny/Bure. Erneut nicht ohne Erfolg! Auch Mogilny erzielte beachtliche 55 Treffer bei 107 Saisonpunkten. Das erste Spiel im neuen GM-Place, im Oktober 1995, verlor das Team gegen Detroit mit 3-5. Mike Ridley gelang dabei der erste Treffer der Regular Season in der neuen Halle.
Nach der Saison verpflichtete Quinn den früheren kanadischen Nationaltrainer Tom Renney für den Job hinter der Bande. Dessen neues Defensivsystem kam bei der Mannschaft jedoch nicht gut an und man verfehlte die Endrunde im Jahre 1997.

Im Juni desselbigen präsentierte man den Fans ein neues, zunächst nicht unumstrittenes Logo und auch neue Teamfarben. Das neue Design zeigte statt des althergebrachten Schlittschuhs auf schwarz-gelbem Trikot, nun einen Killerwal der durch eine Eisfläche bricht und in einen großen Buchstaben 'C' integriert wurde. Die Trikots waren ab jetzt blau, silber und rot.
Mark Messier unterzeichnete einen Dreijahresvertrag, der ihm mehr als 20 Mio. US$ zusicherte. Trevor Linden verzichtete auf sein angestammtes Kapitänsamt zugunsten des neu verpflichteten, erfahrenen Teamleaders.
Leider konnten die gestiegenen Erwartungen in keiner Weise erfüllt werden. Die Saison 1997-98 entwickelte sich regelrecht zu einem Desaster. Quinn wurde gefeuert und auch Coach Renney durfte sich bald ein neues Team suchen.

Todd Bertuzzi

Mike Keenan sollte in der Folgezeit die Verantwortung für das Team übernehmen. Trevor Linden geriet allerdings unmittelbar nach seinem Amtsantritt mit Coach Keenan aneinander und musste das Team bald verlassen. Keenan tradete Linden im Januar zu den New York Islanders im Austausch für Todd Bertuzzi und Bryan McCabe. Und obwohl es sportlich wieder leicht bergauf ging, verfehlte Vancouver abermals die Playoffs im Frühjahr des Jahres.

Im Juni 1998 kehrte mit Brian Burke, als neuem GM des Teams, jemand zu den Canucks zurück, der bereits unter Pat Quinn zwischen 1987 und 1992 in der Verwaltung des Clubs Verantwortung trug. Zwischenzeitlich sammelte Burke bei den Hartford Whalers erste Erfahrungen als General Manager in der NHL.
Auch mit ihm gelang zunächst keine Rückkehr auf die Erfolgsspur und so kam es, dass der frühere Coach der Colorado Avalanche, Marc Crawford, der mit den Avs den Titel 1996 erringen konnte und als Aktiver auch bereits für die Canucks auf dem Eis stand, den Trainerposten bei den Nucks übernahm.
Kurz zuvor wurde allerdings Pavel Bure nach Florida geschickt. Bure sah für sich keine Zukunft mehr am Pazifik. Ed Jovanovski trug im Austausch für u.a. Bure nun das Trikot mit dem Killerwal. Mit Felix Potvin im Tor gelang zumindest im Schlussspurt der Saison mal wieder ein guter Lauf. Messier zeigte endlich die von ihm erwarteten Führungsqualitäten auch in Vancouver. Trotzdem sollte es am Ende erneut nicht für die Off-Season reichen.

Alexander Mogilny wechselte im Sommer nach New Jersey für Brendan Morrison. Im Entry Draft 2000 wurden die beiden schwedischen Zwillinge Daniel und Henrik Sedin verpflichtet. Im Jahre 2001 gelang es dem Team um Crawford dann erstmalig nach den mageren Jahren zumindest wieder in die KO-Runde zu kommen.
Im Herbst 2001 kehrte auch Canucks-Legende Trevor Linden, den es zwischendurch über Montreal nach Washington verschlagen hatte, unter dem Jubel der Nucks-Fans nach Kanada zu seinen Wurzeln zurück.
Nachdem die Canucks wieder ein solider Teilnehmer in den Playoffs geworden waren, verlängerte der Coach seinen Vertrag zunächst bis Saisonende 2004 (inzwischen hat Crawford den Vertrag abermals langfristig verlängert). Auch in diesem Zeitraum sollte Eishockey in Vancouver noch im späten Frühjahr gespielt werden. Allerdings scheiterte man immer relativ früh, in diesem Frühjahr bereits wieder einmal in der Eröffnungsrunde an den Calgary Flames.
Unmittelbar nach Saisonende gaben die Eigentümer aus Enttäuschung über das Abschneiden des Teams die Trennung von GM Burke bekannt. Zuvor hatte man den zuletzt stets dominierenden Colorado Avalanche, erstmalig nach 10 Jahren wieder einen Divisionstitel streitig machen können.

Aus der Saison 2003-04 bleibt außerdem der 'Fall Bertuzzi' in Erinnerung. Der Stürmer wurde wegen eines heftigen Faustschlages gegen Colorados Steve Moore, der sich dabei sehr schwer verletzte, von der NHL für (mindestens) den Rest der Saison 2004 gesperrt, und bestimmte mit diesen Negativschlagzeilen wochenlang die Berichterstattung über Profieishockey in British Columbia und dem Rest der (Eishockey-)Welt.

Trotzdem ist die Entwicklung des Teams in den letzten Jahren insgesamt überaus positiv anzusehen. Viele Experten hatten den Canucks vor Beginn der diesjährigen Playoffs eine Menge mehr zugetraut als sie dann im Nachhinein tatsächlich realisieren konnten. Eine Tatsache die letztlich dem Manager seinen Job gekostet hat.

Vielleicht können sie ihr wahres Leistungsvermögen ja beim nächsten Anlauf auf den Cup endlich mal wieder voll abrufen... (rp)

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